HIGH END® 2010. 6.- 9. MAI 2010 M.O.C. MÜNCHEN. 3.

Der Trend zu weniger Tempo und mehr Genuss. „Entschleunigung“ mit Hilfe der Musik? Trendscouts, Befindlichkeits-Diagnostiker und Freizeitforscher aller Provenienzen berichten übereinstimmend seit geraumer Zeit, dass in unserer Gesellschaft eine Abkehr von dem zunehmend komplexen- und beschleunigenden Lebenstempo zu beobachten ist, welches uns von äußeren Einflüssen unfreiwillig aufgezwungen wird.

Die Informationsflut und Beschleunigung unseres Lebens scheint endlich zu sein, weshalb sich immer mehr Menschen mit einer Rückkehr zur Langsamkeit und Besinnung auf die elementaren Werte des Seins beschäftigen. Dies geschieht meist unbewusst und schleichend, dafür aber stetig und nachhaltig: „Entschleunigung“ ist das Stichwort und Nichtstun gilt nicht länger als verwerfliche Zeitverschwendung.

Oft aber haben wir es verlernt, einfach zu „wohnen“, weil wir uns einem immer schnelleren Alltag kaum entziehen können oder zumindest glauben, dies nicht zu können. Deshalb wächst auch der Wunsch nach einer Wiederentdeckung der Langsamkeit und des wertvolleren Lebensgefühls.

Längst hat die Werbung den Wunsch der Menschen auf Entspannung zum Programm gemacht. Erst waren Energy-Drinks in Mode, jetzt sind in den USA so genannte Anti-Stress- Drinks auf dem Vormarsch. Die Relax-Limonade soll dem Genießer mit Wirkstoffen wie Kamille und Baldrian ein Gefühl von Urlaub vermitteln und den Puls runterschrauben. Entspannung aus der Dose wird hier suggeriert. Wellness² jetzt auch in flüssiger Form. Wellness in den eigenen vier Wänden dagegen ist sehr einfach und unkompliziert verfügbar. Musik ist das Synonym dafür. Aber zwischenzeitlich können wir die segensreiche Wirkung einer guten Musikwiedergabe auch zu Gelegenheiten nutzen, die vor einigen Jahren als Science Fiction zu bewundern waren. Musik als Wellness on Tour sozusagen. In einer Shell-Studie, welche die Interessen und das Wertebewusstsein junger Menschen untersucht, ist nachzulesen, dass Musikhören die weitaus beliebteste Freizeitbeschäftigung der 12- bis 25-jährigen Menschen ist. Musik ist überall dabei und das sich uns bietende Bild eines Musikkonsumenten mit Kopfhörer im Ohr und dem MP3-Player in der Jackentasche ist allseits präsent. Die Entwicklung mobiler Music-Player bietet auch räumliche Möglichkeiten, Musik zu hören, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wären.

Hunderte Stunden Musik passen in ein kleines Gerät, wofür früher unzählige CDs oder Schallplatten nötig waren. Die Präsenz und der Zugriff auf jegliche Musik ist inflationär. Wie kein anderer Wirtschaftszweig hat die Musikindustrie auf die digitale Herausforderung reagiert. Die Zahl der Downloadhändler steigt kontinuierlich und die Nutzerfreundlichkeit der Angebote wird ständig optimiert.

Weltweit wurden 2008 nach einer Studie von Pricewaterhouse Coopers und der IFPI (PWC Global Entertainment and Media Report) bereits 20 Prozent der Umsätze über die neuen digitalen Vertriebsformen und Geschäftsmodelle erzielt. Die Zahl der Musikdownloads hat sich in fünf Jahren versechsfacht. Musik ist nicht nur der meistgenutzte Breitbandinhalt im Internet, sondern auch mit 51% und somit deutlich vor TV sehen (27%) und Kino (10%), die wichtigste Entertainment-Form der heutigen Zeit. Laut Jahreswirtschaftsbericht des Bundesverbandes der Musikindustrie können wir seit dem Jahre 1995 einen Anstieg der täglichen Musiknutzung von 21% alleine über die Audio-Formate LP, CD und mp3 verzeichnen – Tendenz steigend! Vier von zehn Deutschen kaufen mindestens ein Mal pro Jahr Musik. Sie erwerben ein bis drei Musikprodukte pro Jahr und machen 25,9 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Während viele Länder mit zweistelligen Umsatzrückgängen kämpfen, ist der deutsche Musikmarkt vergleichsweise stabil.

Deutschland ist das einzige Land der fünf größten Musikmärkte der Welt, welches seinen Anteil am Weltmarkt signifikant steigern konnte. Hinter all diesen Geschäftsmodellen steht die Erkenntnis, dass Musik nicht nur eines der nach wie vor begehrtesten Unterhaltungsprodukte ist, sondern wegen ihres hohen Emotionalisierungsgrades auch wesentlich zum Verkauf anderer Produkte und Dienstleistungen beiträgt. Es zeigt, dass Menschen ohne Musikhören kaum auskommen können. Aber genauso wie das Vorhandensein von Information durch digitale Medien noch keinen Anspruch auf Weisheit bedeutet, ist die Omnipräsenz der Musik noch lange kein Hinweis auf eine aktive und bewusste Erfahrungsqualität durch den Konsumenten. Vielmehr wird eine Verfügbarkeit der Musik möglich, die eine Selbstverständlichkeit und schließlich auch eine Beliebigkeit provoziert.

Ob in der Fußgängerzone, in Bus, Straßenbahn oder Zug, beim Einkaufen oder Joggen, Musik wird wie Fast Food konsumiert. Es bleibt keine Zeit und Ruhe zum bewussten Hören und zum Genießen der eigenen Wunschmusik. Die „gute alte“ Stereoanlage wird darunter aber nicht leiden sondern ganz im Gegenteil. Wer daheim Musik genießen will, die nicht „lästig“ und „nervig“ klingt, der wird über kurz oder lang den Weg zu einer guten Anlage mit unkomprimierter Signalquelle kommen – vorausgesetzt, er hatte die Gelegenheit, Musik in guter Qualität zu hören. „Wellness für die Ohren und den Geist“ eben.

Wie immer im Leben ist das Bessere des Guten Feind. Die „bessere“ und hochwertige Anlage erkennt man eben nicht daran, dass sie lauter wäre, mehr Bässe oder Höhen produziert. Eine hochwertige Anlage macht in der Regel auf sich aufmerksam, weil sie unspektakulär und unauffällig ist. Erst nach einer Eingewöhnungszeit stellt man fest, dass eine solche Anlage ein ermüdungsfreies Hören ermöglicht, ohne dabei aufdringlich und lästig zu sein. Ein jeder Mensch wird eine solche Lernphase erleben, die recht ähnlich zum Genießen guter Weine ist.

Auch dort beginnt man in der Regel mit „lauten“ süßen Weinen, bis der Gaumen die Unterschiede erkennt und der Geschmack sich wandelt. Die bessere Tonqualität kann auch beim Radiohören erlebt werden, denn immer dann, wenn eine Musik vermeintlich „unauffällig und leise“ klingt, ist im Kern aber wesentlich mehr Substanz vorhanden, als bei der Musik, die laut, grob, und damit aufdringlich wird. Der sinnliche Genuss, das Innehalten und die Freude am schönen Klang oder an einer bezaubernden Melodie sind ganz und gar individuell. Die Musik, die den Einzelnen wirklich berührt, gilt es erst einmal zu finden. Alsdann mag jedes Wiedergabegerät Musikgenuss individuell produzieren zu können. Aber wie überwältigend kann Musik wirklich sein? Ähnlich einem Opern- oder Live-Konzert-Besuch? Wer Musik nicht nur gedankenlos als begleitende Tonspur einer immer lauter werdenden Bilderwelt konsumiert, sondern bewusst erlebt und genießt, entwickelt ganz automatisch eine besondere Wertschätzung für hochwertige Unterhaltungselektronik.

Schlagworte:

Kommentieren

Sie müssen angemeldet sein, um kommentieren zu können.